Berta

Eine Bauernfamilie entscheidet sich für den Grappa: vier Generationen Berta

Die moderne Brennerei von Berta di Roccanivo in Casalotto di Mombaruzzo hat mit der Lese 2002, dem Jahrgang, der für das Familienunternehmen und die Entwicklung der Weinwirtschaft von Asti historisch ist, den Grundstein gelegt. Weitere wichtige Daten in der Familiengeschichte sind 1947 (Gründungsjahr der ersten Brennerei in Nizza Monferrato), die 30er Jahre (Eröffnung einer Apotheke von Berta in Mailand) sowie der 11. Juli 1866 (Geburt von Francesco Berta in Casalotto di Mombaruzzo). Während dieses Kind inmitten von Weingärten geboren wurde, und sein Schicksal bereits mit der Welt des Weines verwoben war, lebte man damals eine ganz andere Welt als heute. Rom war noch nicht die Hauptstadt Italiens, der Zug der Tausend unter der Führung von Giuseppe Garibaldi gerade erst abgeschlossen und Vittorio Emanuele II. war noch immer an der Macht. In Erinnerung bleibt er neben seinem Bestreben Italien zu einigen aufgrund seiner kulinarischen Gelüste. Wie in allen Bauernfamilien, arbeitet Francesco Berta seit seiner Kindheit in den Weingärten und im Weinkeller. Mit seltenem Weitblick schaut sich der junge Mann nach Absatzmöglichkeiten und Kunden um. Mit 22 Jahren heiratet er Erminia Barbero. 1889 wird Giovanni, 16 Jahre später Michele geboren. Die bäuerliche Tradition von damals wollte keine Trennung des Eigentums. So war es die Aufgabe des Erstgeborenen Giovanni die Arbeit des Vaters am Feld fortzusetzen, während der Zweitgeborene einer anderen Arbeit nachgehen musste. Michele sollte Apotheker werden.

Die Entscheidung zum Apothekerberuf

Die Berufswahl, die Francesco für seinen Sohn getroffen hatte, war für die damalige Zeit ungewöhnlich (da sehr häufig das zweitgeborene Kind in das Priesterseminar geschickt wurde), allerdings für die unternehmerische Zukunft der Familie Berta bahnbrechend. Die Apotheke (die Michele in den 30er Jahren in Mailand eröffnete) war ein sehr ehrgeiziges Ziel: auch wenn sie nicht das große Geschäft von heute war, so stellte sie doch einen angesehenen Ort dar: hier war man um Behandlungen, aber auch um die Forschung von der Heilpflanzenkunde bis zur Chemie - bemüht. Tradition hatte die handwerkliche Herstellung von Likören mit heilsamer und therapeutischer Wirkung. Obwohl die beiden Brüder getrennt waren, arbeiteten sie eng zusammen. Giovanni, der mit 24 Jahren Paolina Boido ehelichte, versorgte Michele mit Weinen, die die Grundlage für einige von ihm kreierten Produkte waren: den Barbera Chinata (mit Chinarinde versetzter Barbera) und das Elixier aus Moscato Passito (Muskat-Spätlese), die in der Flasche, aber auch glasweise in der Apotheke erhältlich waren.
Natürlich waren die Kunden von Michele gleichzeitig auch die Käufer von Wein. Giovanni lieferte den Wein direkt von Casalotto.

Die Intuitionen von Francesco nehmen Gestalt an

Durch die Eröffnung der Apotheke in Mailand, die für damalige Verhältnisse beispielhaft war, holte sich das Weingut Berta di Roccanivo in Casalotto di Mombaruzzo Anregungen für neue Geschäftsideen in den Städten Genua, Turin, Brescia, Bergamo u.a. Dazu galt es jene Wechselbeziehung zwischen Produzenten und Konsumenten zu forcieren, die für ein Jahrhundert die Kultur des Weines konsolidiert hatte, und zwar nicht nur aufgrund des zwischenmenschlichen Vertrauens, sondern auch dank einer wertvollen Vermittlung durch erfahrene und kompetente Fachleute. Die Intuition von Francesco Berta hatte der Familie eine sichere und moderne Perspektive gegeben, die in der Zwischenzeit durch die Geburt der Enkel Francesco, Teresina, Erminia, Maria und Paolo bestärkt wurde. Mit dieser positiven Einstellung konnte die Familie Berta die krisengeschüttelte Zeit nach dem Ersten Weltkrieg die sich auch auf die Wirtschaft des Weines negativ ausgewirkt hatte - relativ problemlos überstehen. Von Asti bzw. einem Bürgermeister namens Vigna ging als Zeichen des Schicksals der nationale Kampf gegen den Heimatzoll auf Wein aus, eine Steuer, die von den Landwirten und den Verbrauchern verabscheut wurde und die das Verhältnis zwischen Stadt und Land trübte. Die Einhebung der Steuer wurde privaten Unternehmen übertragen und so kam es zu Erpressungen, zumal die Abgabe noch vor der Lieferung des Produktes einkassiert wurde. Paolo, das jüngste von fünf Kindern, setzte das Unternehmen fort. Unter großen Opfern hatte er jedoch die Möglichkeit, das Studium abzuschließen. In den Wirren des Zweiten Weltkrieges machte er 1947 in Alba seinen Studienabschluss in Weinbautechnik. Er führte die landwirtschaftliche Tätigkeit von Vater Giovanni fort, eröffnete allerdings zusätzlich noch die Distilleria Berta di Berta Paolo in Nizza Monferrato in der Via San Nicolao. An diesem historischen Sitz werden heute die Destillate gereift. Bedeutungsvoll war das Zusammenfallen der Eröffnung der Brenne- rei mit der Heirat von Paolo mit Lidia Giovine di Canelli: dies ist die Geschichte einer Familie, die dem Unternehmen Halt und Zukunftsperspektiven verleiht. Das Unternehmen der Berta hätte wohl keine analoge Geschichte gehabt, wenn sie nicht in der Familie und im fortlaufenden Wechsel der Generationen sowie in dem Beitrag der Frauen - ihre solide Basis gefunden hätte. Die bäuerliche Kultur dieser Familie hatte dazu beigetragen, dass die Namen immer männlich waren, aber es waren die Frauen, die eine starke Funktion inne hatten, die wie immer am Land sich der Hauswirtschaft widmeten und es so den Männern ermöglichten, unternehmerisch tätig zu sein.

Die Qualitätsstrategie

Die intuitive Idee einer Brennerei kommt Paolo nach seinen ersten Erfahrungen als Önologe auf Weingütern in dem Gebiet. Sein Ziel ist es Grappa und Spirituosen zu erzeugen, um damit einen Mehrwert für die Produkte vom Weingut der Familie zu schaffen. Seltsamerweise kommen die ersten Anerkennungen für seine handwerkliche Tätigkeit von Personen aus Deutschland, der Schweiz, Amerika und Australien, die im nahe gelegenen Canelli die großen Schaumweinproduzenten, die Pioniere des Geschäftstourismus, besuchten. Nach und nach werden die in speziellen Keramik- und Kristallglasflaschen abgefüllten Produkte der kleinen Brennerei in Nizza Monferrato im Ausland bekannt. Paolo und Lidia bestehen auf der handwerklichen Dimension ihres Unternehmens und legen ihr Hauptaugenmerk auf die Qualität: die Produkte von Berta müssen für sich sprechen. In der Zwischenzeit wird die Familie größer: im Jahr 1956 wird Gianfranco geboren und im Jahr 1960 Enrico. Beide studieren Rechnungswesen mit Schwerpunkt Handel und Chemie und widmen sich mit großer Leidenschaft dem Familienbetrieb. Sie halten an der Philosophie der Eltern fest: gleich bleibendes Qualitätskonzept, allerdings mit veränderten Verkaufs- und Vermarktungsstrategien für die Produkte. Um den historischen Augenblick zu verstehen ist es notwendig, sich daran zu erinnern, dass dies die Jahre des Wirtschaftsaufschwunges waren, in denen andere industrielle Brennereien mit Hilfe von beachtlichen Investitionen in die Werbung den breiten Markt und hohe Umsätze anstrebten. Die handwerklich arbeitenden Produzenten, die sich der Qualität verschrieben haben, konnten jedoch noch nicht auf die neue Kultur des Geschmackes und die neue Klasse Verbraucher-Produzent eines Qualitätsproduktes bauen. Der Handel, der zählte, musste die so genannten Produkte zum Zweitpreis diskriminieren, die nicht aufgrund ihres tatsächlichen Wertes verkauft wurden, sondern nach Marktschemen, die keine Verhandlungsmöglichkeiten zuließen.

Eine mutige Entscheidung: Handwerk versus Macht der industrie

Die Familie Berta kommt mit ihrem laufenden Einsatz zur x-ten Wende: die Erfindung einer neuen Flasche, die Beuta Berta. Das Format, das normalerweise in Analyselabors verwendet wird, wird hier von der Brennerei benutzt, um den Produkten ein identifizierbares Image zu verleihen. Es ist eine Entscheidung, die wir heute als siegreich betrachten können, die aber damals als schwierig und riskant galt, da es bedeutete, den in der Zukunft stark expandierenden und interessanten Markt, jenen der modernen Verteilung, zu verlassen. Die Familie Berta macht voller Zuversicht diesen Schritt ins Ungewisse: sie wendet sich direkt und persönlich an die Gastronomie und an kleine Fachgeschäfte. Eine Entscheidung, die heute als weise und weit blickend gilt, aber damals vor allem eine sehr mühsame und komplexe Arbeit ohne Erfolgsgarantie darstellte. In den 80er Jahren teilt sich die Familie Berta die Aufgaben: Gianfranco übernimmt die Produktion, Enrico die Vermarktung, während Lidia weiterhin die geschmackvollen Flaschen verpackt und Paolo unerschütterlich einige außergewöhnliche Grappe konserviert und sie von einem Fass in das andere, von einem Barrique ins andere umfüllt. Es ist die immer währende Geschichte einer Familie, die langfristige Entscheidungen trifft und so die Weichen für das Wachstum und das Glück der eigenen Nachkommen stellt.

Die Schaffung eines neuen Marktes aus dem Nichts

Es sind dies Jahre intensiver Arbeit, Jahre der Forschung, die bei den traditionellen Produktionstechniken Anwendung finden. Ferner sind es Jahre, die dem Aufbau eines neuen Marktes gewidmet sind, von dem man jeden einzelnen Protagonisten kennen lernt. Neben dem anonymen, kalten Markt, den die Industrie im großen Vertrieb geschaffen hat, entwickelt sich ein solider, freundschaftlicher Personenkreis, der auf den großen Grappa trifft: ein starkes, harmonisches Destillat, traditionell im Geschmack, aber modern interpretiert, reich an Aromen, Finessen und balsamischen Empfindungen am Gaumen. Das sind die Jahre, in denen die Kunden, die von Enrico eingeladen
wurden, die Brennerei in Nizza Monferrato zu besuchen, nun beginnen, eine Beziehung zu konsolidieren, die aus dem Zusammenspiel von Menschlichkeit und Wirtschaftlichkeit besteht. Enrico und Gianfranco kennen persönlich sehr viele Betreiber von Restaurants und Enotheken und jeden Tag klopft eine neue Person an die Tür der Brennerei, die durch die Mundpropaganda angelockt worden ist. Es sind die Jahre, in denen die heutige Distillerie Berta srl - nach einem Übergang von Distilleria Berta dei figli di Berta Paolo & C. Snc - im Jahr 1990 entsteht, als Paolo und Lidia offiziell in Pension gehen, ohne jedoch auf ihr Mitwirken zu verzichten. Drei Jahre davor hatte Simonetta Ghignone Gianfranco geheiratet, wodurch die Arbeitskraft des Familienbetriebes, von dem sie die Verwaltung übernimmt, gesteigert wurde. Im Jahr 1989 werden Annacarla und 1995 Giulia, Tochter von Enrico und Elisabetta Malfatto, geboren. Dies ist eine weitere Bestätigung der wichtigen Rolle der Frauen in dem Familienbetrieb Berta: die Zukunft dieser Grappe erfährt immer mehr weibliche Prägung, nicht nur weil es immer mehr Frauen gibt, die sich diesem Produkt genussvoll nähern, sondern auch aufgrund ihrer Eigenschaften. Arbeitsreiche Jahre, mit ständigem Wachstum: Zeugnis dafür ist die Brennerei in Nizza Monferrato, die ausgebaut wird und sich mit einer diskontinuierlichen Dampfkesselanlage spezialisiert. Außerdem wird eine originelle Konservierungstechnik für Trester ausgearbeitet: dank spezieller hermetisch abgeschlossener Behälter, werden die Trester solange frisch und feucht gehalten bis sie der Destillation zugeführt werden. In der Zwischenzeit wächst die Anzahl an Weinbaubetrieben in den verschiedenen italienischen Regionen, die gerne ihre Trester von dieser jungen Piemonteser Brennerei zu einem Destillat, das dem zeitgenössischen Geschmack entspricht, brennen lassen möchten. Auch die ausländischen Märkte öffnen sich immer mehr. Heute sind es über 60 Länder, die den Grappa von Berta importieren. Mehr Raum wird benötigt und die Familie Berta überlegt sich bereits dorthin zu übersiedeln, wo ihre Geschichte begonnen hat, ganz in die Nähe der Cantina von Casalotto, wo Urgroßvater Francesco eine Winzerfamilie in ein Familienunternehmen verwandelt hat, das mit dem gesamten Verarbeitungszyklus von Wein und Grappa beschäftigt ist: ein großes Projekt, das Jahre der Forschung und der Arbeit erfordert hat.

Hastae

Alles begann beim Trinken von Barbera in der Taverne der Familie Berta an einem Juliabend im Jahr 1997. Man sprach wie es zu dieser Jahreszeit zwischen Frauen und Männern üblich war - über Wein, die Hoffnung auf die große Lese, die durch die außergewöhnliche vorzeitige Reifung, die man in den Weingärten erkennen konnte, gestärkt wurde. Es war kein wirkliches Abendessen, sondern eine ribota mit Brot, Salami und Robiola-Käse, Produkte, die aus dem Gebiet von Asti stammen. Jemand stellte - belustigt und Stolz zugleich - das glückliche Paradoxon der Bewohner von Asti fest, dieesgewohntsind,diehundertjährigeTraditionderOsterienunddieHöchstleistung italienischer Hauben-Restaurants mit nonchalance zu vereinen. Gerade verstorben war Guido Alciati, ein Mann, der mit Liebe und Genauigkeit, die ihn zu einem der größten italienischen Gastronomen werden ließen, immer an sein Land geglaubt hat. Unser Land zu lieben, das ist der entscheidende Punkt, hatte jemand gesagt und jemand anderer hatte hinzugefügt:
Unsere Geschichte, unsere Kunst und unsere Kultur zu lieben, und dann noch ... Unsere Orte, unsere Schlösser und unsere Bauernhäuser zu lieben, Unsere Küche zu lieben, die sich mit den Jahreszeiten verändert und sich dem Zyklus der Natur angepasst hat, Unsere Hügel mit ihren Weinbergen die Busen des Monferrato aus Paveses Vermächtnis zu lieben, Das Gebiet von Asti zu lieben und etwas dafür zu tun. Das ist der Traum von Hastae. Die römische Bezeichnung für die antike Stadt Asti, die allgemein als symbolischer Ort des Weines bekannt ist, wird für dieses Konsortium ausgewählt, und wird Symbol eines Projektes, in das sechs Winzerfamilien mit langer Tradition zur Förderung des Image des Barbera dAsti und seines Ursprungsgebietes miteingebunden worden sind.
Zur Gruppe gehören: Berta, Braida, Michele Chiarlo, Coppo sowie zwei Häuser aus Alba, Vietti und Prunotto, wobei letztere zur Florentiner Gruppe der Anti- nori gehört.
Quorum war das Symbol für das gemeinsame Ziel, einen Wein und einen Grappa aus den besten Barbera-Trauben jeder Familie zu erzeugen. Der Grappa war der natürliche Abschluss des Produktionskreislaufes. Ein Projekt, mit dem auch das Interesse des Marktes geweckt worden war und das auch den sechs Betrieben ermöglicht hat, die Liebe für das eigene Land, die eigene Kultur und Kunst zu konkretisieren und einen Teil der Erträge für prestigeträchtige soziale und kulturelle Investitionen zu verwenden.

Eröffnung der Taverna der Freunde

In der Zwischenzeit (wir schreiben das Jahr 1994) wird der hundert Jahre alte Betrieb nochmals erweitert und es wird die Taverne, das Haus der Freunde, eröffnet, in dem man in ruhiger Atmosphäre nicht nur den Grappa von Berta, sondern auch die Weine der Freunde von Berta genießen kann. Die Liste der Besucher und der leidenschaft- lichen Grappaioli wird länger und wird um viele Freunde aus der Welt des Theaters und des Sports, durch Künstler, Schriftsteller, großartige Gastronomen und adelige Winzerfamilien aus Italien reicher. Paolo hatte immer gesagt, dass man große Grappe brauchen würde, die in wertvollen kleinen Eichenfässern gereift worden sind. So steht im Jahr 1994 die erste Selektion der Riserve bereit. Die Familie Berta präsentiert, nicht ganz furchtlos, diese Neuigkeiten dem Markt. Dieser besteht aus Liebhabern und der Erfolg ist triumphal: Roccanivo, der acht Jahre alte Grappa aus erlesenem BarberaTrester, antizipiert einen neuen Stil, stark geprägt von Berta, der Schule macht und sich jedes Jahr mehr konsolidiert. Es folgen Bric del Gaian aus Moscato-Trester, der ebenfalls acht Jahre lang in kleinen Fässern gereift worden ist; Tre soli tre, aus Nebbiolo da Barolo Trester, der acht Jahre im Fass gereift wurde, die Riserva des Gründers Paolo Berta, mit zwanzig Jahren Reifung und schließlich Magia, ein zehn Jahre altes Traubendestillat. Die starken, rundlichen und schützenden Flaschen tragen eine elegante goldene Aufschrift und werden in einer dunklen Nussholzkassette aufbewahrt.

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